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Spiritualität und Therapie

by | Dec 5, 2011 | Interviews DE


Connections Magazine interview, February 2004
Das Gespräch mit Eli führte Bertrand Coquoz

Aus meinen ersten Interviews mit dir habe ich verstanden, dass ich meine Begegnung mit dir dem Umstand zu verdanken habe, dass du einer Bitte von Poonjaji nachgekommen bist, und diese Bitte gehörte in den Bereich der Therapie. Worum ging es bei dieser Bitte und wie ist dieses Anliegen in deiner Beziehung zu Poonjaji oder Papaji, wie du ihn nennst, aufgetaucht?

Die Glückseligkeit in meiner ersten Begegnung mit Papaji war überwältigend. Bei diesem ersten Treffen, als wir zusammen auf seinem Bett saßen, fiel ich auf der Stelle in die tiefste Liebe und den tiefsten Frieden. Ich sagte bald zu ihm, dass ich nichts weiter wollte als nur vor seiner Tür zu schlafen und für ihn zu sorgen. Er lachte und sagte mir, das, was er mit mir vorhätte, würde meine kühnsten Träume übersteigen.

Dann meinte er zu mir, dass eine Kerze, die andere Kerzen anzünden würde, wirklich eine feine Sache sei. Aber eine Kerze, welche andere Kerzen entzündet, die wiederum andere Kerzen anzünden, das sei nochmal etwas anderes. Da verstand ich seine Mission. Nicht nur, all jenen, die durch seine Tür kamen, Erleuchtung gewähren, sondern dass die Menschen, die seine Übertragung empfangen und Feuer gefangen hatten, das Licht an andere weitergeben und somit diese Flamme um die ganze Welt getragen würde.

Während der Zeit, die wir miteinander verbrachten, sprach ich über das Enneagramm und über meine Arbeit, die darin bestand, Therapeuten auszubilden. Das Enneagramm gefiel ihm sehr, und als ich das erste Mal zurückging, sagte er zu mir, meine erste Aufgabe bestünde darin, in den äußeren Lebensumständen gar nichts zu verändern. Ich sollte als Beispiel dafür dienen, dass nichts geändert werden müsse, damit die Wahrheit erkannt und gelebt werden kann. Er sagte mir, ich solle mit meiner Arbeit genauso fortfahren wie bisher, und: “Lass beide erwachen, den Therapeuten und den Klienten!” Das ist die Einladung an dich, die ich überbringe.

Inzwischen ist einige Zeit vergangen und die Art, wie du dieser Bitte entsprochen hast, hat sich der Form nach verändert. Auf welche Art hat sich die Form verändert? Worin liegt der Unterschied zu dem, was wir normalerweise unter Therapie verstehen?

Dieses erste Treffen liegt jetzt vierzehn Jahre zurück. Ich bin nur von ihm weggegangen, um einen Monat später mit meiner Ehefrau wiederzukommen, damit sie ihn treffen konnte. Er nannte sie Gangaji und sagte, sie besäße die Reinheit, den Adel der Gesinnung und die Qualität des Satva (Ausgeglichenheit, Klarheit, Leuchtkraft), um diese Unterweisung in den Westen zu bringen. Ich habe mein ganzes Leben dafür eingesetzt, Gangajis Satsang in jeder erdenklichen Weise zu ermöglichen, das wurde zu meiner hauptsächlichen Ausrichtung. Außerdem schrieb ich Wach auf, du bist Frei, um Papaji der Welt bekannt zu machen. Ich unterrichtete auch weiterhin, aber alles diente nur zur Unterstützung dieser anderen Aktivitäten.

Einige Jahre später gab mir Papaji meine nächste Aufgabe. Ich sollte Satsang halten, und er schickte mich zunächst nach Amsterdam. Dort hatte ich das Gefühl, einige Missverständnisse aufklären zu müssen, die sich inzwischen im Hinblick auf Satsang gebildet hatten. Die Therapie-Ausbildung lief derweil weiter, wenn auch im Hintergrund. Jetzt ist das wieder in den Vordergrund getreten.

Alles, was wir heute unter dem Begriff Therapie zusammenfassen, beginnt bei Sigmund Freud und seinen tiefen Einsichten in die Struktur des Egos. Doch Freud selber, wie er in Das Unbehagen in der Kultur schreibt, hat nie eine spirituelle Erfahrung gemacht. Aus diesem Grund hat er versucht, die spirituelle Erfahrung mental zu begreifen, und das ist nicht möglich. Deshalb waren Freuds therapeutischen Erfolgen insoweit Grenzen gesetzt als sie sich auf ein – handhabbares – unglückliches Leben als Ego beschränkten.

C. G. Jung ging natürlich weiter. Er hat gesehen, dass das Ziel einer Therapie die Wiedervereinigung des Egos mit dem wahren Selbst sein müsse. Jungs Zugang zu den tieferen Schichten bestand aber hauptsächlich im Analysieren von Träumen, außerdem mit Hilfe von Zeichnungen. Viel von dem, was wir Transpersonale Therapie nennen, basiert in Wirklichkeit auf C.G. Jung. Man kann hier leicht in eine Falle geraten, denn so wie ich es sehe, ist hier und bei der Therapie im Allgemeinen die Möglichkeit gegeben, den Glauben an den Handelnden zu zementieren. Er oder sie erwirkt die Transformation oder hat Engel und Geistführer, die dem Ego Ratschläge erteilen, und damit wird es zu einem spirituellen Handelnden.

Die vergangenen Pioniere haben den Boden bereitet, auf dem wir stehen und von hier aus Zugang finden können zur tiefen Struktur des mind, des menschlichen Geistes mit seinen mentalen, emotionalen und verhaltensspezifischen Schichten. Und wir können die Möglichkeit erhellen, die im menschlichen Dasein angelegt ist: ein Leben in Freiheit und Frieden. Die grundlegende Einsicht, die uns Vipassana, Zen und Advaita vermitteln liegt darin, dass der Handelnde als solcher tatsächlich gar nicht existiert, er ist eine bloße Idee, nichts als ein mentales Konstrukt. Der Therapeut muss diese lebende Möglichkeit einer unmittelbaren Erkenntnis verkörpern.

Bei der Leela Therapy geht es letztendlich nicht darum, über die Vergangenheit zu reden oder herauszufinden, wer an welcher Sache Schuld hat. Das kann zwar in einem bestimmten Stadium oder unter bestimmten Umständen für die Heilung des Egos sehr wichtig sein. Die Leela Therapy, so wie sie sich durch Papaji’s Übermittlung und meinen Hintergrund im Bereich der Therapie entwickelt hat, richtet sich an die Verletzung, die das Ego erfahren hat – nicht um es zu flicken, sondern um auf das klaffende, leere Loch zu deuten, das durch die Verwundung offenbar wird und um darüber hinaus auf das zu weisen, was von jeder Verletzung unberührt bleibt.

Ich habe gesehen, dass es nicht darauf ankommt, wie weit der Klient gehen kann, sondern wie tief und weit der Therapeut ist. Ein wahrer Therapeut muss erwacht sein, um anderen den Weg zu weisen. Zu einer erfolgreichen Therapie gehören zwei Dinge: die Tiefe des Therapeuten und angemessene therapeutische Mittel und Fähigkeiten.

Ich bin außerordentlich froh darüber, dass jetzt im Kern der Leela School erwachte Lehrer zur Verfügung stehen, welche die Funktion einnehmen, neue Therapeuten auszubilden. Dies ist Papaji’s Gnade; seine Transmission der Stille ist zur nächsten Generation durchgedrungen. Und während dieses brennende Feuer im Westen Wurzeln schlägt, nimmt es die psychologische Einsicht und die Sprache des 21. Jahrhunderts an.

Auf diese Weise kopieren wir keine Vergangenheit, indem wir uns andersartig kleiden oder unsere Essensgewohnheiten ändern. Vielmehr kleidet sich diese Transmission in die Erscheinungsform der westlichen Kultur von heute.

Seit ich mit dir in regelmäßigem Kontakt bin, sehe ich, dass meine Verpflichtung an das Leben immer tiefer und klarer wird. Ich bemerke, wie natürliche Prinzipien daraus erwachsen. Ich kann im Hinblick auf meine Arbeit oder meine Beziehungen gar nichts “machen”. Jede Begegnung ist für mich und auch die Menschen, mit denen ich zusammentreffe, noch eine Chance, aufzuwachen, still zu sein. Könntest du uns etwas näher erläutern, wie du die natürlichen Prinzipien siehst, die diesen besonderen Beziehungen, in denen man sich der Wahrheit verpflichtet hat, zugrunde liegen? Könnte das eine neue Disziplin im Therapiebereich definieren?

Was du entdeckst, ist deine eigene grundlegende Natur als Güte. Lao Tse im Tao te King weist darauf, wenn er sagt: “wenn nichts getan wird, bleibt nichts ungetan”. Wenn die egobezogene Idee von dir als dem, der etwas tut oder bewirkt, verschwindet, dann wird durch deine wirkliche Natur gehandelt – ohne Zweifel oder Verwirrung. Auf diese Weise ist deine wahre Natur im Einklang mit dem Weg. Die Idee von einem Jemand, der die Kontrolle hätte, ist das einzige Hindernis. Wenn dieser Idee kein Glauben geschenkt und ihr auch nicht gefolgt wird, dann ist es die Liebe, welche das Leben lebt und auch die Rolle einnimmt, die zum jeweils gegebenen Zeitpunkt angemessen ist.

Ein großer Zenmeister des 14. Jahrhunderts schrieb, dass dein wahres Selbst zwar formlos ist, und dennoch ist es voller Lebenslust und Spannkraft und reagiert auf immer frische Art und Weise. Das ist es, was du natürliche Prinzipien nennst. Sie werden erst im Rückblick als Prinzipien gesehen. Bevor spontanes Handeln auftaucht, werden keine Prinzipien in Erwägung gezogen. Erst rückblickend kannst du die göttliche Ordnung wahrnehmen, die mühelos aus der Leerheit erscheint.

Hier liegt die Antwort auf die alte Frage nach der Natur des Menschen. Kommt er als unbeschriebenes Blatt in diese Welt oder bringt er bei seiner Geburt etwas anderes mit? Rousseau hatte die grundlegende Güte intuitiv erfasst, konnte aber diesbezüglich nur auf die Kinder und auf die Philosophie verweisen, nicht auf seine Mitmenschen.

Wir haben kein Vertrauen in unsere eigene grundlegende Güte und verlassen uns lieber auf ein mit (Vor)urteilen und idealisierten Verhaltensregeln angefülltes Über-ich, das uns vorschreibt, was wir tun sollen und wie wir uns zu verhalten haben. Spirituelle Gruppen entwickeln oft ein spirituelles Über-ich mit neuen Werten und Verhaltensmaßstäben. All dies ist Ego, es imitiert, was gut und richtig ist oder lehnt sich dagegen auf. Es ist eine tiefe Furcht in uns, dass man ohne Ego und ohne Über-ich, welches dem Ego vorsagt, was richtig ist, Amok laufen würde.

Wenn du dich den Ängsten stellst und wenn du aufhörst, Wünschen und Begierden hinterher zu rennen, steigt Klarheit auf und was sich offenbart, ist die Erkenntnis, dass du schon, so wie du bist, heilig und vollkommen bist. Nichts muss sich ändern. Dieses Erkennen deiner eigenen Wesensnatur fließt ganz natürlich in jedem Moment, die Dinge folgen ihrer natürlichen Ordnung. Wenn der mind das imitiert, heißt das im allgemeinen: “Ich gehe mit dem Fluss”. Aber in Wahrheit gibt es kein Gehen und auch keinen Fluss. Im vollkommenen Innehalten und totaler Stille offenbart sich die natürliche Ordnung und die Dinge erscheinen so vollkommen im Fluss, dass es keiner besonderen Beachtung bedarf.

Da gibt es etwas, das sich in der Begegnung mit dir nicht vermeiden lässt. Das führt einige der Menschen zu dir und wählt diejenigen aus, die hierher kommen, oder sich entscheiden in deiner Gegenwart zu bleiben, oder wieder zu gehen. Ich schätze diese absolute Freiheit sehr, die jeden von uns in die eigene Verantwortung nimmt. Es tut weh, wenn einige Freunde sich entschließen, aus diesem Spiel mit dir wieder auszusteigen. Ich sehe, dass sich eine bestimmte Qualität auf diejenigen überträgt, die bei dir bleiben, eine Art tiefer Ruf oder Engagement, und diese Qualität überträgt sich dann auf die Menschen, denen man außerhalb der Retreats begegnet. Vielleicht ist das die Übertragung, von der ich in den spirituellen Schriften gelesen habe, die wirkliche Transmission, die nichts mit Worten oder neuen Angewohnheiten zu tun hat, die der Verstand vereinnahmt, sondern zur Erkenntnis unserer wirklichen Wesensnatur führt. Was ist das Wesen dieser Qualität, was ist dieses Etwas, das sich nicht vermeiden lässt?

Eine der großen Fallen in der spirituellen Szene besteht in der Beurteilung jener, die kommen und gehen. Ich habe so oft von Lehrern gehört, die ihren Schülern Hölle und Teufel androhen, wenn diese weggehen. Niemand kann sagen, wer gehen oder bleiben sollte. Für einige ist das Weggehen gerade das Richtige und für andere bedeutet es Selbstverrat. Für einige ist das Bleiben genau das Richtige und für andere wäre es Selbstverrat. Solange niemand darüber urteilt, zeigt sich alles zu seiner gegebenen Zeit.

Das Mysterium der Liebe lässt sich nicht erklären, ebensowenig kann man erklären, warum jemand einen bestimmten Lehrer liebt oder nicht. Und doch ist es nur die Liebe, welche Schüler und Lehrer zusammenhält. Die Liebe lässt sich niemals zwingen und wenn man sie heuchelt, wird sie hässlich und das tut weh. Nachdem ich Papaji getroffen hatte, war ich natürlich sicher, dass jeder andere ihm auch begegnen wollte und auf der Stelle erkennen würde, wer er in Wahrheit ist, und ihn genauso lieben, wie ich es tat. Ich war schockiert, als ich mit ansehen musste, dass Menschen zu ihm in den Satsang kamen und ihn ganz und gar verpassten. Vielleicht dachten sie, dass sie um der Lehren willen gekommen waren und nicht wegen des Lehrers. Vielleicht konnten sie die Wahrheit auch nur hören anstatt sie im selben Moment zu erkennen. Wer kann das sagen?

In meiner Erfahrung sehe ich zwei Dinge mit jenen geschehen, die für ein wahres Treffen offen sind. Auf der einen Seite gibt es häufig ein Anhalten des mind, eine Öffnung des Herzens und ein Erkennen von Leerheit und Liebe. Andererseits passiert oft eine noch stärkere Identifikation mit dem Ego und all dem, was dir die Sicht auf dein wahres Selbst verstellt, welches ja die Liebe selbst ist.

Sowohl der Erkenntnis als auch der identifikation muss voll und ganz begegnet werden. In dieser vollkommenen Begegnung triffst du auf dich selber und du erlebst den Schmerz der falschen Identität. Dann werden Prüfungen auftauchen, die dich testen, und so kannst du sehen, wo deine Treue liegt. Dies ist das Spiel des Lebens, das magische Theater in den Worten von Hermann Hesse; die große Einweihung, wenn du dir selber gegenübertrittst und indem du das tust, die Schleier von deiner Seele nimmst. Dies ist das große Mysterium und die große Einladung. Es steht jedem offen./

Die Übertragung der Stille hängt nicht von einem speziellen Körper ab, sie ist an keine besondere Form gebunden und sie benutzt alle Körper, die dafür empfänglich sind. Diese Transmission der Stille ist dein eigenes Herz, das dich zurückruft, zurück zu einem vollständigen Innehalten in Liebe. Es ist das Erblühen des nächsten Evolutionsschrittes der Menschheit. Nicht jeder wird diesen Sprung wagen, aber allen, die gewillt sind, auf den Ruf zu hören und dem tiefsten Sehnen ihres Herzens zu folgen, steht diese Möglichkeit offen.

Gute Therapie wird zumindest das Ego soweit heilen, dass du erkennst, daß ein gesundes Ego nicht ausreicht, um wahrhaft glücklich zu sein. Großartige Therapie wird dir dort begegnen, wo du dich im Augenblick befindest, und einen Kontext herstellen, der es dir ermöglicht, allem ins Gesicht zu schauen, während das wahre Verlangen nach Freiheit und Liebe freigelegt wird, das in jedem Leben existiert. Die beste Therapie wird eine lebendige Möglichkeit darstellen und einen Weg anbieten für den Schritt hinaus ins Unbekannte, um die Wahrheit zu erkennen; die Wahrheit dessen, wer du wirklich bist.

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“When you can recognize who you are not, then there is a possibility to wake up and discover who you really are.”